Gäste zur Weihnacht  Wilhelm von Scholz


(1) Leise wehen die Flocken,
aus Hauch und Winterrauch,
wehen, wirbeln, wehen
über Weg, Baum, Strauch.
Mit den Flocken weht Dämmerung,
weiße Dämmerung im Raum,
hüllt Häuser, Bäume, Menschen
in weißen Traum.


(2) Das erste Fenster leuchtet,
es zündet sich Licht an Licht.
Bald strahlt das zweite, das dritte-.
Wie am Baum von Licht zu Licht
geht der Strahl von Fenster zu Fenster,
von Haus zum nächsten Haus.
überall leuchten die Tannen
mit den Kerzensternen heraus.


 

(3) Die vergangenen Leben
schreiten rings durch den Schnee,
gehen jedes zu einem Hause,
doch ohne Spuren im Schnee -,
verschwinden in den Türen
und stehn mit unter dem Baum:
verschollen - vergessene Jugend,
gealtertes Glück, toter Traum.


(4) Indessen die Kinder jauchzen
und jubeln im Kerzenschein,
stehen die Männer und Frauen
beieinander allein,
sehn in die Dämmergewebe,
die Vergangenheit um sie spinnt,
und grüßen die stillen Gäste,
die zum Feste gekommen sind.